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Zagi - Historischer Roman über den Abenteurer Jakob Lauper

von Damian Zingg, Schopf-Verlag, ISBN 978-3938022030

Jakob Lauper (1815-1891), genannt Zagi: Bauernsohn aus Giffers (Senseland, Kanton Fribourg), päpstlicher Schweizergardist im damals politisch unruhigen Rom, Familienvater, Kanonier im Sonderbundskrieg, erfolgloser Spekulant, Auswanderer, Tagelöhner, Entdecker auf der neuseeländischen Südinsel, gefeierter Held und unverstandener Außenseiter. 
Dieses Buch basiert auf historischen Fakten und mündlichen Überlieferungen. Autor Damian Zingg lebte wochenlang in Giffers, um sich mit Land und Leuten, Traditionen und Lokalgeschichte vertraut zu machen. Er unternahm im Senseland, in Fribourg, Rom, der Toskana und in Liverpool intensive Recherchen. Mit einer Karte aus dem 19. Jahrhundert in der Hand folgte er schließlich Jakob Laupers Spuren quer durch Neuseeland. Mehr Informationen unter www.damianzingg.ch.
Leseprobe
Poplera bei Giffers, 1834
 Draussen auf dem Flur poltert es laut. Jakob Lauper stiess wieder einmal mit seinem Kopf im Dunkeln heftig gegen den Türrahmen.
„Jesses Maria!“ rief seine Grossmutter mit weit aufgerissenen Augen. Ihr ungewöhnlich gross gewachsener Enkel trat fluchend in die Stube. „Ich werde mir an diesem Balken den Schädel noch ganz einschlagen“, zischte er. Die Grossmutter wandte sich wieder dem offenen Fenster zu und starrte auf die fahl vom Mondlicht erhellte Weide neben dem Bauernhaus. „Die Montenachtkutsche“, tuschelte sie verschwörerisch, „stell dir vor, Bub, kurz nach Mitternacht habe ich die hell erleuchtete Montenachtkutsche wieder gesehen! Diesmal fuhren ein Pater und ein Offizier mit. Die beiden stritten sich.“ Zitternd umklammerte sie den Arm ihres Enkels.
„Ich habe deutlich gehört, wie sie mehrmals deinen Namen nannten, Bub! Sie fuhren auf dem Popleraweg direkt auf unseren Hof zu. Dann verschwand das Gespann im Dickicht zwischen den Bäumen.
„Du und deine Montenachtkutsche!, knurrte Jakob Lauper, „ich glaube, Du siehst Gespenster!“
Seine Grossmutter rätselte in jeder Vollmondnacht, wie der hell erleuchtete Wagen, den sie zu sehen glaubte, den äussert schmalen Popleraweg  befahren konnte. Achselzuckend liess sie es dabei bewenden. „Ich habe sie nun einmal gesehen.“
„Grossmutter, du weißt doch, was die Leute im Oberdorf sagen: Die Geisterkutsche fährt immer nur vom Eichholz bis zum Vorderried. Sie verschwindet also weit oberhalb der Kirche. Und wir wohnen weit unterhalb. Ausserdem sagt man, nur Verrückte würden das Gespann sehen!“
„Ich soll verrückt sein? Ich weiss, was ich gesehen und gehört habe, Bub! Nicht ich bin verrückt, sondern Du. Denn du gehörst zu den verdrehten Studenten: je studierter, desto verdrehter. Das hat schon mein Vater gesagt. Die ständige Studiererei macht alle Studenten närrisch!“
Lachend verabschiedete sich Jakob Lauper von seiner Grossmutter. Sie rief ihm hinterher, er würde eines Tages die Montenachtkutsche mit eigenen Augen sehen. Ihr Enkel ging nicht weiter darauf ein, packte eilig sein Bündel und marschierte in die Nacht hinaus. Er musste rechtzeitig zur Frühmesse die Kollegiumskirche in Fribourg erreichen.
Das renommierte Jesuitenkloster Saint Michel genoss europaweit einen ausgezeichneten Ruf. Jakob Laupers Vater war nicht nur Bauer in der Poplera, sondern auch Gemeindeammann von Giffers. Er hatte seinem Sohn mit Hilfe des jungen Dorfpfarrers zu einem der begehrten Studienplätze verholfen. Sein Vater hoffte insgeheim, er würde das Studium als Arzt oder Advokat beenden. Der junge Geistliche hingegen sähe den Bauernsohn gerne als Theologen aus der Jesuitenschule hervorgehen. Jakob wusste nicht, wozu er eigentlich studierte. Doch eines war ihn klar: Den elterlichen Hof wollte er nicht übernehmen. Diese Perspektive überliess er lieber seinem jüngeren Bruder Sepp, der ein begabter Bauer zu werden schien.
Jakob Lauper gehörte zu den wenigen Privilegierten aus dem Senseland, die das Jesuitenkollegium in Fribourg besuchen konnten. Jedoch langweilte ihn der monotone Studienbetrieb. Nur für das Fach Erdkunde konnte er sich erwärmen. Aufmerksam lauschte er den Ausführungen seines Hauptlehrers Père Geoffroy. Wenn der gutmütige Jesuitenpater über fremde Völker und abenteuerliche Forschungsreisen referierte, von merkwürdigen Tieren, Pflanzen und sagenhaften Metallschätzen im Erdinnern erzählte, sog der Gifferser Bauernsohn jedes einzelne Wort in sich auf. Jakob träumte oft vom Ozean. Von unbekannten Inseln und geheimnisvollen Urwäldern, von grossen Segelschiffen und Expeditionen unerschrockener Entdecker. Er verschlang mit Vorliebe Abenteuerromane. Bei der letztjährigen Theateraufführung am Kollegium durfte er den Robinson Crusoe spielen. Sein Lehrer Père Geoffroy wusste, dass ihm diese Rolle auf den Leib geschnitten war. Der Gifferser Dorfpfarrer und die Gemeinderäte waren zur Freilichtaufführung extra nach fribourg gereist. Jakob Lauper hatte den legendären Schiffbrüchigen so überzeugend gespielt, dass die Zuschauer zu glauben begannen, der leibhaftige Robinson stehe auf der Bühne. Seit jenem einzigen Höhepunkt seiner Studentenlaufbahn war ein ereignisloses Jahr verstrichen. Sein Studieneifer hatte deutlich nachgelassen, was sich entsprechend auf seine Leistungen in Fächern wie Latein oder Mathematik auswirkte. Eine abgrundtiefe Abneigung hatte der Sensler Bauernsohn gegen das Fach Rhetorik entwickelt. Sprösslinge deutscher Adeliger hielten hingegen wortgewaltige Reden über irgendwelche belanglose Themen, zur Freude und Begeisterung der Jesuitenpater. Solchen Hofartsgaggel, wie man zu Hause in Giffers sagen würde, konnte und wollte er nicht mitmachen. Jakob Lauper schwieg lieber. Wenn es nach ihm ginge, würde er von früh bis spät Erdkunde studieren, sonst nichts.
... Nachdem Jakob Lauper und sein deutscher Gefährte einige im Aufbau begriffene Farmen in den Canterbury Plains und die Maorisiedlungen vin Kaiapoi hinter sich gelassen hatten, begegneten sie keiner Menschenseele mehr. Tagelang wanderten sie dem Flusslauf des Horunui entlang. Die schneebedeckten Gebirgszüge  der nahen neuseeländischen Alpen glichen dem Gantrischgebirge seiner Sensler Heimat, dachte Zagi. Unweit von Lake Brunner erreichten sie die abgelegene Schaffarm Taylors Station. Diese Ranch und die benachbarte Dampiers Station bildeten die beiden letzten, weit in die Wildnis vorgeschobenen Bastionen der Zivilisation. Beide Farmen waren Ausgangspunkt für Expeditionen über den Taramakau-Sattel, dem einzigen brauchbaren Bergpass weit und breit, der ins unbekannte Westland führte. 
Doktor Taylor entpuppte sich als gewandter Gastgeber, der sich über Besucher freute und sie auf die Gefahren ihres Vorhabens aufmerksam machte.
„Ich war der erste Weisse, der den Taramakau-Sattel überquert hat und auf dieser Route ins Westland abgestiegen ist. Gerne stelle ich mein Wissen über die besonderen Verhältnisse allen zur Verfügung, die das unbekannte Land hinter den Bergen erforschen möchten. Ihnen beiden empfehle ich, nicht alleine dort hin zu reisen. Hinter dem Alpenkamm warten schwierigste Bedingungen auf sie. Wer damit nicht umzugehen weiss, setzt sein Leben leichtsinnig aufs Spiel.  Schliessen sie sich Mister Money oder Mister Howitt an. Die leben schon lange in der Wildnis und kennen sich dort gut aus. Sie kommen oft hierher zurück, um Proviant in ihre Basislager zu schaffen. Neue Gefährten sind ihnen immer willkommen.“
Zagi und Sam Johnson waren sich einig, auf fremde Hilfe zu verzichten. Sie witterten in den Aussagen Doktor Taylors eine Falle. Immerhin ging es bei der Erkundung des Westlandes um die Entdeckung von Goldvorkommen. Entschieden lehnten sie Taylors Vorschlag ab.
„Sie brauchen sich nicht zu sorgen. Wir wissen, was wir tun.“
„Das bezweifle ich, meine Herren. Wenn man das Westland nicht einmal ansatzweise kennt, kommt der Gang über den Taramakau-Sattel einem Selbstmord gleich. Aber bitte, sie sind alt genug und sollten wissen, was sie tun“, entgegnete Doktor Taylor enttäuscht. „Die Wildnis wird sie nicht schonen. Sie werden schneller an der Schwelle des Todes stehen, als sie glauben, meine Herren. Überlegen sie es sich nochmals. Sie können bleiben, bis Mister Money wieder vorbeikommt. Er wird hier in den nächsten Wochen noch zwei, drei Ladungen Proviant für sein Basislager abholen. In seiner Obhut würden ihre Überlebenschancen viel besser stehen.“
„Danke für ihre Ratschläge und die Gastfreundschaft, Doktor Taylor. Wir ziehen es vor, morgen alleine weiterzureisen“, antwortete Zagi leicht gereizt.
„Ich sehe schon, es ist zwecklos, sie von ihrem Unterfangen abhalten zu wollen.“
„Da haben sie vollkommen Recht.“ ...
Rezensionen
Viele Dialoge machen den Text lebendig und leicht lesbar. Die Schilderung des Pöppelemannes, der Waschweiber und des Dorfpfarrers sind so anschaulich, als ob es sich um einen Film handeln würde. (Zürcher Oberländer)
Der sorgfältig recherchierte Roman führt den Leser vom deutschfreiburger Senseland über Rom und Liverpool in die neuseeländische Wildnis. (Zuger Wochenzeitschrift)
Der grosse Saal war gut gefüllt und das Publikum liess sich ergreifen von Damian Zinggs charmanter und humorvoller Lesung (Kreuzlinger Anzeiger zur Lesung in CH-Kreuzlingen)
Zinggs lebendige Sprache und sein Rezitiertalent ließen die szenische Lesung, die er mit Dias und Musik umrahmte, für die Anwesenden zu einer Abenteuerreise auf Zagis speziellem Lebensweg werden. Der kräftige Applaus und das rege Interesse an Zinggs Schaffen ließen erahnen, dass seine Zuhörer diese Reise liebend gerne noch vertieft hätten.
(Die Davoser Zeitung zur szenischen Lesung in der Leihbibliothek Davos)