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Der Jakobus-Virus - ich war wie weg

von Sieglinde Schopf, Schopf-Verlag, ISBN 978-3938022023

Infos
Nach dem Erstlingsroman „Auf der Route der Sehnsucht“ folgt mit diesem Buch eine Fortsetzung von „Beatrices Erlebnissen entlang des Jakobsweges“.
Der Roman reflektiert eine Wanderung entlang des Jakobsweges von Konstanz nach Santiago de Compostela. Die Protagonistin Beatrice startet an einem sonnigen Sonntag im Mai und läuft entlang des „Schwabenweges“ von Konstanz weiter durch den Thurgau. Sie hat unvergessliche Begegnungen mit Natur, Kultur und Menschen. „Steinige, schottrige Wege führen vorbei am süßen Duft von frisch gemähtem Gras. Ein dichtes Meer aus flächendeckendem Gelb überzieht die nächste Wiese.“ 
In Einsiedeln macht sie die Bekanntschaft mit Schafböcken. Aber nicht solchen auf vier Beinen, sondern mit diesem Namen titulierten traditionellen, lebkuchenartigen Pilgergebäck. In der Altstadt von Le Puy steckt Beatrice „in einem faszinierenden Gewirr von Treppen und steilen gepflasterten Gässchen“. Man möchte am liebsten gleich loslaufen. Dazu motiviert das Buch: zum Loslaufen und ein festes Ziel in Angriff zu nehmen.
Leseprobe
Santiago de Compostela, April 2007
Beatrice ist glücklich. Und zu Recht auch stolz auf sich. Ihr ist der berufliche Durchbruch gelungen. Im letzten Jahr wurde ihr Buch über den Jakobsweg mit einigen Preisen ausgezeichnet. Sie beschrieb den positiven Einfluss der Naturerlebnisse auf ihr Wohlbefinden. Die Wichtigkeit der Klöster als Orte der Stille. Die Bedeutung von Legenden in der heutigen Zeit. Und vor allen Dingen, wie wichtig es ist, ein Ziel vor Augen zu haben. Ziellosigkeit hat immer Unzufriedenheit zur Folge. Die damit verbundene Freudlosigkeit hatte sie lange Zeit am eigenen Leib zu spüren bekommen. Viele Menschen leiden darunter, an dieser permanenten Unzufriedenheit mit sich und der Umwelt. Eine regelrechte neue Volksseuche, nicht nur in Deutschland.
Beatrice schätzt das erreichte private Glück weitaus mehr als den beruflichen Erfolg. Denn letztendlich: was nützen die ganze Vielwisserei, Erfahrungen und Auszeichnungen? Die einzige wirklich wichtige Bildung im Leben ist ihrer Meinung nach die Herzensbildung. Eigene Wünsche zu leben und nicht nur davon zu träumen. Sie hat mit Francisco seit fast drei Jahren einen Menschen an ihrer Seite, der sie liebt, wie sie ist. Der sie versteht. Mit dem sie über alles reden kann.
Während der wochenlangen Einsamkeit ihrer Pilgerschaft hatte sie darauf verzichtet. Das führte dazu, schätzen zu lernen. Nichts als selbstverständlich anzusehen, sondern als ein Geschenk. Sie verbrachte Stunden, Tage, Wochen, Monate ihres Lebens damit, räumliche Distanz zu überwinden. Von Konstanz bis nach Santiago de Compostela. Auf der Suche nach sich selbst und getrieben von einem inneren Verlangen.
Ihr ist inzwischen Vieles klar. Was wichtig und was unwichtig ist im Leben. In ihrem Leben. Wünsche und Bedürfnisse gehen auf ein zeitweiliges Nichtvorhandensein zurück. Der Kranke wünscht sich Gesundheit. Der Hungernde ein Stück Brot. Der Einsame die Nähe eines lieben Menschen. Und was geschieht, wenn diese Wünsche erfüllt sind? Dann entstehen vielleicht die Fragen: „Wofür lohnt es sich zu leben? Wo will ich hin?“
Beatrice hält das Leben vor allem wegen der Vielfalt der Gefühle für lebenswert. Sie nimmt sich bewusst Zeit zum Spüren, Genießen und Beobachten. Betrachtet aufmerksam die Blätter einer Pflanze, die alle auf demselben Stängel wachsen. Keines ist ganz wie das andere. Jedes ist einmalig. Und dadurch kostbar, wertvoll, unersetzlich. Ein Schatz. Wie ihr geliebter Francisco. Schätze soll man hüten, hegen und pflegen. Sie ist sich bewusst, noch nie zuvor einen Menschen derart geachtet und geschätzt zu haben. Niemand hat diese Wichtigkeit in ihrem Leben erlangt. Vielleicht ist deshalb mit Francisco vieles anders als mit anderen Männern. ...
... Als ich mich um sieben Uhr morgens auf den Weg in Richtung Yachthafen begebe, ist der Himmel schon strahlend blau. Ich fühle mich, trotz Rucksack, leicht wie eine Feder. Gut gelaunt summe ich vor mich hin.
Am Yachthafen finden die Vorbereitungen für eine Regatta statt. Normalerweise hätte ich zugeschaut. Aber heute zieht es mich weiter, Richtung Seestraße und Rheinbrücke. Gassi geführte Hunde, Radler, Inline-Skater und Jogger, bereits zu solch früher Sonntagmorgenstunde.
Im Hafen beim Stadtgarten liegt ein großes Passagierschiff, das sich wahrscheinlich bald füllen wird, um in Richtung Meersburg, Stein am Rhein oder bis nach Schaffhausen abzulegen.
Haubentaucher tauchen munter unter und wieder auf, ihren schwarzen zweigeteilten Schopf, Halskrause und rostbraunen Backenbart schüttelnd. Die Vögel scheinen gut gelaunt zu sein. Ein lautes „köcköck“ und „orrr“ dringt an meine Ohren. Ich erinnere mich an den letzten Sommer. Jungvögel wurden während der ersten Lebenstage auf dem Rücken der Eltern durch die Gegend gepaddelt. Ein drolliges Schauspiel!
Etliche Angler stehen unter den Platanen an der Seestraße und versuchen ihr Glück. In den mitgebrachten, alten, schäbigen Plastikeimern schwimmt bereits ihre Beute. Beim Gedanken an Fisch, so früh am Morgen, dreht es mir fast den Magen um. ...
Die Innenstadt ist im Gegensatz zur Seestraße wie leer gefegt. In der Hussenstraße faszinieren mich die zahlreichen historischen Gebäude. Ihre liebevollen Details und architektonischen Verspieltheiten. Ich entdecke die Mühe der Erbauer.
Vom Schnetztor bin ich in wenigen Minuten am Grenzübergang nach Kreuzlingen. „Adíos Alemania. Wann werde ich wohl wieder zurück sein?“ Diese Frage erschreckt mich nicht. Das hätte ich mir vor wenigen Wochen nicht träumen lassen. Ich besitze einen festen Willen. Bin besessen von dem Gedanken, nochmals den riesigen Weihrauchschwenker, den Botafumeiro, in der Kathedrale von Santiago zu sehen. Aber dieses Mal im Schweiße meines Angesichts. Als Belohnung für all die Strapazen, die ich bis dahin sicherlich hinter mir haben werde. ...
Ein Grenzbeamter begrüßt mich mit „Grüezi woll!“ Ob ich etwas zu verzollen hätte. Erkläre ihm, dass ich Pilgerin auf dem Weg nach Santiago bin. Er zieht lediglich seine Augenbauen hoch. Weiß nicht, was das bedeutet. Jedenfalls macht er keine Anstalten, mich auf meinem Weg aufzuhalten.
Gute Ausschilderung. Zunächst entlang der Konstanzer Straße. Dann ein Tobel, der zur langen steilen Treppe des Kreuzweges im Wald führt. Hinauf zur Heiligkreuzkapelle Bernrain. ... Vor der Kirche erheben sich Kastanienbäume mit dichter, hochgewölbter Krone. Sie stehen in voller Blüte. Wie Kegel strecken sich die weißen, reichblütigen Scheinrispen aufrecht gen Himmel. Auf der Rückseite der Kirche befindet sich ein Garten mit knospenden Rosensträuchern, scharlachrot blühendem Klatschmohn, Kräutern und Gemüse. Ich setze mich auf eine Bank, um vom Anstieg und der inzwischen zweistündigen Wanderung auszuruhen. Genieße den weiten und letzten Blick über den Bodensee, hinüber zum Hörnle und zur alten Villa. 
Ein älterer Herr mit weißen Haaren und wettergegerbtem Gesicht setzt sich neben mich. Er trägt blaue, etwas abgetragene Hosen und ein rot-weiß kariertes Hemd. Mit strahlender Miene und Lachfältchen um die funkelnden blauen Augen fragt er beim Blick über den See: „Ist das heute nicht ein geschenkter Tag?“
Bin zunächst ein wenig sprachlos. Schaue den Mann mit offenem Mund an. Antworte schließlich, dass ich dieses Geschenk dankbar annehme und den Tag genießen werde!
Wir sitzen schweigend nebeneinander. Dabei geht mir durch den Kopf, wie viele Menschen nicht genießen können und deshalb ungenießbar sind. Unzufrieden mit sich und der Welt. Nur geschuftet, geträumt und alles auf das Rentenalter verschoben. Enttäuscht wegen unerfüllter Erwartungen. Bei diesen Gedanken genieße ich um so mehr den herrlichen Vormittag, den „geschenkten Tag“, auf der Bank vor der Bernrainer Kapelle. ...
Lesetipp: „Der Jakobus-Virus…ich war wie weg“
In der Neuauflage 2008 des OUTDOOR Wanderführers „Schweiz: Jakobsweg – vom Bodensee zum Genfer See von Hartmut Engel, Conrad Stein Verlag ist auf S. 16 folgendes zu lesen: „Wer sich dem Jakobsweg einmal von einer anderen Seite nähern möchte, dem sei der Roman „Der Jakobus-Virus…ich war wie weg“ von Sieglinde Schopf empfohlen. Der Roman schildert die Erlebnisse mit Menschen, Tieren, Pflanzen und Landschaften während der Wanderung einer Konstanzerin vom Bodensee an den Genfer See (und weiter nach Santiago de Compostela). Das lesenswerte Buch vermittelt ganz neue Eindrücke.”

Fanpost

"Wahnsinnig gut geschrieben. Ich war wie weg! Ehrlich! Informativ und neugierig machend. Wunderbar philosophische Passagen kreuzen den Jakobsweg.
Vielen Dank! Das Buch ist klasse!"


"Die Fortsetzung des Romans „Auf der Route der Sehnsucht“ ist total gut gemacht. Die Rückblenden im Tagebuch, die detaillierten Schilderungen von Land, Kultur und Leuten und die tiefgründigen Überlegungen der Protagonistin sind spitze!"