Bücher

Heinz Finke – seine Fotos sagen mehr als Tausend Worte

von Sieglinde Schopf, Schopf-Verlag, ISBN 978-3938022009

Heinz Finke gehörte zu den bekanntesten Pressefotografen und Journalisten des Bodenseeraums. Sein Beruf hat ihm so viel Freude bereitet, dass er zum Lebensinhalt, zu seiner großen Leidenschaft wurde. Finkes Privatleben hingegen nahm immer nur Rang 2 ein. Sein innerer Schaffensdrang machte ihn süchtig nach immer neuenHerausforderungen, die er mit seinen beiden Leica-Kameras in Angriff nahm. 2002, im Alter von 87 Jahren, schaute er zurück auf sein Leben und seine Arbeit, die ein Stück Zeitgeschichte widerspiegeln.
Die Autorin Sieglinde Schopf lernte Heinz Finke bei einem Fototermin kennen und war fasziniert von seiner positiven Ausstrahlung. Obwohl sie 49 Lebensjahre trennten, hatten ihre Lebensläufe zahlreiche Parallelen. 
Mit viel Einfühlungsvermögen schrieb Sieglinde Schopf die spannende Reise durch das Leben des Meisterfotografen.
Leseprobe
1918, als Heinz 3 Jahre alt ist, fällt sein Vater im Krieg. Er kann sich nicht mehr an ihn erinnern. Nur an Erzählungen, dass sein Vater während seiner Soldatenzeit etliche Male auf Besuch nach Hause kam und mit Heinz an der Hand durch die Gegend spazierte.
Nach dem Tod seines Vaters zieht seine Mutter mit ihm zu ihren Eltern zurück nach Brandenburg an der Havel. Vom Land geht es in die damals 60 000 Einwohner große Stadt. Trotz der zahlreichen Industriebauten bezeichnet Heinz seine neue Heimat als „Venedig des Ostens“, denn es gibt viele Kanäle, die Brandenburg durchziehen. Um Brandenburg befinden sich zahlreiche große Seen. Das gefällt dem Naturburschen Heinz besonders gut. Bereits als Kind ist er gern gewandert oder mit dem Fahrrad gefahren, hat Versteck gespielt, gezeichnet, Landschaften und Häuser, jedoch keine Menschen, keine Portraits. Für ihn ist es ein großartiges Erlebnis, etwas zu erschaffen, schöpferisch tätig zu sein oder sich beim Lesen der Bücher von Karl May oder über Tarzan in eine andere Welt zu versetzen, seine eigene Fantasiewelt. Heinz bleibt ein Einzelkind, kann sich sehr gut alleine beschäftigen, aber auch andere Kinder unterhalten, zum Beispiel beim Kasperletheater spielen. Das Kasperletheater ist eine seiner lebhaftesten Kindheitserinnerungen. Heinz freut sich immer sehr auf die Schulferien, die er in Haldensleben verbringt, bei Tante und Onkel, seiner Oma, Vettern und Basen. Diese haben einen großen Gasthof, wo er sich sehr wohl fühlt. Im Stall des Gasthofs baut sich Heinz eine Bühne und spielt dort sein geliebtes Kasperletheater. Sein Onkel schnitzt die Figuren: Kasper, Teufel, Totenkopf und ein König mit Krone. Seine Mutter näht die Kleider der Figuren. Heinz fabriziert aus dem Stehgreif heraus die fantasievollsten Texte. Die Kinder aus der Nachbarschaft kommen fast jeden Tag und wollen etwas Neues sehen. Für Heinz, mit seiner überschäumenden, kindlichen Fantasie ist dies kein Problem...
... Weihnachten 1929 ist Heinz 14 Jahre alt. Er bekommt als Weihnachtsgeschenk einen seiner sehnlichsten Wünsche erfüllt: eine einfache Boxkamera für zwölf Reichsmark. Heinz Mutter weiß, dass er gerne Bilder macht. Früher hat er gezeichnet und gemalt. Nun fängt er an zu fotografieren und beschäftigt sich voll und ganz mit dem Herstellen und Entwickeln von Fotos. Heinz macht von Anfang an „wahnsinnig viele Aufnahmen“. Vor allem von Menschen, aber auch Stadtansichten und Landschaften. Das älteste von Heinz erhaltenen Foto hatte seine Mutter aufbewahrt. Es ist das Schwarzweißbild einer alten Frau, die ein Buch lesend in der Sonne auf einem Stuhl im Hinterhof des Altersheims St. Pauli Kirche in Brandenburg sitzt. ...
... 1950 wird die erste Photokina-Messe in Köln von Theodor Heuss eröffnet. Heinz ist anwesend, um über die größte Fotomesse weltweit zu berichten. Für einen besonders guten Blick steht Heinz zum Fotografieren auf einem Stuhl hinter seinem auf einem Stativ aufgebauten Fotoapparat. Dieser ist mit einem sehr großen, schweren amerikanischen Blitzgerät ausgestattet, welches schüsselgroße Reflektoren besitzt. Den Akku des Blitzgerätes trägt Heinz in einem Rucksack auf dem Rücken. Als der ihm persönlich bekannte Theodor Heuss zusammen mit Frankfurts OB Dr. Kolb an ihm vorbei läuft, drückt Heinz auf den Auslöser. Aber es kommt nicht der gewünschte Blitz, sondern das gesamte Blitzlichtgerät explodiert, die Glühbirne zersplittert und fällt zu Boden. Sofort wird Heinz von Sicherheitskräften festgehalten. Sie vermuten einen Anschlag auf den Bundespräsidenten. Nachdem sich Theodor Heuss vom Schrecken erholt und die ganze Situation realisiert hat, sagt er: „ Oh, den Maa lasset nur. Den kenn ich. Dasch is doch der Finke. Der tuet mir nix!“ So wird Heinz wieder aus den Fängen des Sicherheitspersonals entlassen und zum Glück ist bei der ganzen Sache Niemand zu Schaden gekommen. Heinz nutzt die Gelegenheit beim Schopf um sich Vorort nach einem neuen Blitzlichtgerät umzuschauen. ...
... Das Jahr 1954 wird von einem traurigen Ereignis überschattet. Sein langjähriger Schweizer Freund und Vorbild Werner Bischof kommt bei einem tragischen Unfall in den peruanischen Anden ums Leben. Nach dessen Tod, denkt Heinz oft daran, wie viel ihm die echte Freundschaft zu Werner Bischof gegeben hat. Heinz schwelgt in Erinnerungen. Vor seinem geistigen Auge sieht er sich gemeinsam mit Werner Bischof in einem Ruderboot auf dem Zürichsee. Dies war in der Zeit während ihrer Ausbildung in der Züricher Kunstgewerbeschule. Kurze Zeit später sieht Heinz Bilder von seinem letzten Tag als Jugendlicher in Zürich. Er sitzt zusammen mit seinem Freund Werner auf dem Balkon eines Restaurants am Züricher Hauptbahnhof. Wenige Stunden später müssen sie sich schweren Herzens am Zug verabschieden. Heinz und seine Eltern gehen nach Wien. Kurz nachdem Heinz die Kunstgewerbeschule in Zürich verlassen hat, entsteht der neue Ausbildungszweig Fotografie, den Werner Bischof absolviert. Bei Hans Finsler genießt Werner Bischof die vermutlich beste fotografische Ausbildung, die es je an einer Schule gegeben hat. Sowohl in technischer Hinsicht, als auch in der Kunst zu sehen. Und im Begreifen dessen, was Fotografie ist, was sie sein kann und wo ihre Grenzen liegen. Die Art des Unterrichts und die Geisteshaltung der Lehrer entsprechen Werner Bischof bis ins Innerste. Gewissenhaft gründlich, fast pedantisch auf Vollkommenheit erpicht und von einer unendlichen Geduld, wenn es darum geht eine Aufnahme so hinzubekommen, wie er sie sich vorgestellt hat. Er ist der ideale und kongeniale Schüler von Professor Finsler, der bereits in den zwanziger Jahren zu den ganz wenigen gehörte, die bis an die Grenzen der photografischen Möglichkeiten vorgestoßen waren. Dies gilt später auch für Werner Bischof. Am meisten liegt ihm die Abbildung des Organischen, also Pflanzen, Tiere und Menschen. Er ist sensibel und sucht Zeit seines Lebens Beweise und Belege für die Existenz einer heilen Welt. Er leidet jedoch gleichzeitig darunter, dass die Wirklichkeit, mit der er sich nun auseinander zu setzen beginnt, in den meisten Fällen anders aussieht. ... Niemand weiß genau, wie sich das Unglück in den Anden abspielte, durch welches die Schweiz ihren größten und bekanntesten Fotografen verlor und Heinz Finke seinen besten Freund.
Als ich die Werke von Heinz und Werner Bischof betrachte, stelle ich viele Gemeinsamkeiten und Parallelen fest. Sie betreffen den Bildaufbau, die Objektwahl und die Perfektion der Bilder. Der größte Unterschied liegt in den Aufnahmeorten. Bei Werner Bischof befinden sie sich meist in Übersee und bei Heinz beschränken sie sich auf Europa.
1960 besucht Heinz im Auftrag der Zeitschrift MERIAN für die Ausgabe „Barcelona“ den Künstler Salvador Dali in seinem Heimatort Figueras.
Dalis Leben ist ein ununterbrochenes Feuerwerk, ein fortwährendes Fest, welches ihn rastlos in Bewegung hält. Er malt, zeichnet, modelliert und achtet in jedem Augenblick seines Lebens darauf, dass er Dali bleibt. In seinem Tagebuch eines Genies schreibt er: „Jeden Morgen beim Erwachen, genieße ich das erhabene Vergnügen, Salvador Dali zu sein. Voller Erstaunen frage ich mich dann, was dieser Dali heute wieder Wunderbares verrichten wird. Und abends schlafe ich in dem Bewusstsein ein, immer Dali zu sein und zu bleiben.“
Dali ist Katalane und für ihn gibt es keine schönere Landschaft auf dieser Welt, als seine geliebte Ebene von Ampurdan, wo er zur Welt kam und sich die katalanische Küste in ihrem mediterranen Licht von Cap Creus über Cadaques bis nach Estartit erstreckt. Für jeden Katalanen bleibt der Geburtsort, bleibt die Heimat auf immer der Mittelpunkt der Welt. Und dort besucht ihn Heinz, um ihn abzulichten.
Bevor Heinz das verschachtelte Wohnhaus Dalis in der abgelegenen Bucht von Cadaques aufsucht, kehrt er in die benachbarte Schenke ein und kommt mit dem Wirt ins Gespräch. „Salvador wollen Sie besuchen? Ohne ihre Kamera hätten Sie wohl nur wenig Chancen in sein Haus zu kommen, aber so! ...“ Der Wirt hat nicht ganz Unrecht mit seiner Prognose, denn beim ersten Versuch wird Heinz höflich abgewiesen. Erst nachdem er den letzten Rest seines Spanischs und Charms aufgebraucht hat, erbarmt sich der Meister und lädt Heinz für den nächsten Nachmittag zu einer Teestunde ein. Mit in Spanien ungewohnter Pünktlichkeit steht Heinz erneut vor der schmalen Haustür. Eine dunkelhäutige Schönheit bittet ihn einzutreten und führt ihn in einen abenteuerlich anmutenden Raum. Ehe der Hausherr erscheint hat Heinz genügend Muße sich umzusehen: Dalis Haus bietet ihm eine Fülle an Fotografiermöglichkeiten, wie surrealistische Skulpturen, spukhafte Stillleben aus Seesternen, mit Goldketten geschmückte riesige Bären, eine eiserne Faust mit einer hölzernen Heugabel an der Wand, ein vergammelter Totenschädel neben einer venezianisch anmutenden Maske – eine extravagante Mischung von Kitsch und Kunst. Witzig sollen die Fotos werden, nimmt sich Heinz vor, genauso wie Dali selbst es ist. Dieser erscheint kurze Zeit später in einem bunt bestickten katalanischen Kittel, einer farbenbeklecksten Hose und in zerfransten Basthausschuhen. Der sonst steil nach oben ragende Lippenbart ist abgeschlafft und die rechte Bartspitze zu einer Öse zusammengerollt, Dali familiär. ...
Pressestimmen
Stimme & Weg 3/2003
Heinz Finke: Jahrzehntelange Friedensarbeit
Heinz Finke, gebürtig aus Haldensleben bei Magdeburg, lebt seit 1951 am Bodensee und gehört zu den bemerkenswertesten deutschen Fotografen. Er engagierte sich neben seinem Beruf jahrzehntelang für die Arbeit des Volksbundes. Seine Lebensgeschichte dokumentiert das Buch „Heinz Finke – seine Fotos sagen mehr als Tausend Worte“.
Sein Leben und seine Arbeit spiegeln ein Stück Zeitgeschichte wider und wecken Erinnerungen. Finke machte sich jahrzehntelang stark für die Arbeit an den Gräbern der Opfer von Krieg und Gewalt, für den Frieden zwischen den Menschen. Er belieferte Tageszeitungen mit oft ganzseitigen Artikeln über Soldatenfriedhöfe sowie aussagestarken Fotografien. Diese Arbeit wurde zu einer festen Größe in seinem Leben.
Seitdem war Heinz Finke jedes Jahr im September / Oktober mit Kollegen des Deutschen Journalisten-Verbandes für den Volksbund unterwegs, um Reportagen für den Volkstrauertag, zum Gedanken an die gefallenen Soldaten zu schreiben. Er wirkte als Helfer bei den Pressefahrten, Berater bei vielen journalistischen Fragen und leistete teilweise harte Überzeugungsarbeit bei der Presse. Während einer solchen Reise Mitte der sechziger Jahre nach Belgien stand er zum ersten Mal in seinem Leben am Grab seines eigenen 1918 gefallenen Vaters.
Buchtipp „Journalist“ 5/2004
Der Beruf als Lebensinhalt
Die Autorin zeichnet die Stationen im Leben des bekannten Pressefotografen Heinz Finke nach: von der Geburt 1915 in Haldensleben, in der Nähe von Magdeburg, über seine Kindheit in Brandenburg, seine fotografische Ausbildung im Berlin der 30er Jahre, die Kriegsjahre und die journalistische Tätigkeit im Nachkriegsdeutschland, die bis in die 80er Jahre reicht.
Fanpost
Sie zeigen mit diesem Buch ein beeindruckendes Engagement!
Danke für diese wunderbare Dokumentation. Konstanz muss dankbar sein für dieses Werk!
Ein großes Kompliment an Frau Schopf für das Buch. Es ist großartig!